Gefahrenkarten für gravitative Naturgefahren
Im Rahmen der Sonderrichtlinie des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Umsetzung von Projektmaßnahmen im Rahmen des Österreichischen Programms für ländliche Entwicklung 2014-2020, Vorhabensart „Überbetriebliche Maßnahmen für die Bereiche Wald und Schutz vor Naturgefahren (WLV-Forst - VHA 7.6.4)" wurden im Jahr 2019 im Auftrag der Stadtgemeinde Feldbach ein Informationssystem und Gefahrenkarten für Rutschungen für das gesamte Gemeindegebiet mit einer Fläche von 67,26 km² erarbeitet.
Die fachliche Bearbeitung erfolgte durch das Joanneum Research, die Universität Graz - Institut für Geographie und Raumforschung und Lugitsch & Partner Ziviltechniker GmbH. Da die Südoststeiermark ein für Rutschungen besonders anfälliges Gebiet ist (siehe Rutschungsinventar: Anriss- und Rutschungsbereiche), wurde die Modellierung flächendeckend für das gesamte Gemeindegebiet durchgeführt. Der einzige größere zusammenhängende Bereich, der frei von dokumentierten Massenbewegungen ist, ist der flache Talboden des Raabtals.
Zielsetzungen der Gefahrenkarten für gravitative Massenbewegungen:
- Die Gefahrenkarten sollen helfen, die Naturgefahren in der Raumplanung zu berücksichtigen.
- Sie sollen den Handlungsbedarf für Schutzmaßnahmen aufzeigen, wenn bestehende
- Gebäude und Infrastruktur in Gefahrengebieten liegen.
- Sie sollen die Notfallplanung unterstützen und den Sicherheitsverantwortlichen zeigen, wo
- Personen aus potentiell gefährdeten Häusern in Sicherheit gebracht werden müssen.
- Sie sollen es der Bevölkerung ermöglichen, sich über die Gefährdung ihres Umfelds ins Bild zu
- setzen und notwendige Maßnahmen im Rahmen der Eigenverantwortung zu treffen.
- In Zukunft ist geplant die Gefahrenkarte für gravitative Naturgefahren auf weitere Gemeinden auszudehnen.
Modellierung von gravitativen Naturgefahren
Für die Erstellung der Gefahrenkarten wurden vergangene Ereignisse und geomorphologische Indikatoren für Massenbewegungen aus sämtlichen verfügbaren Quellen erfasst und in einem sogenannten Rutschungsinventardatensatz zusammengeführt.
Dieses Inventar zeigt sämtliche aus Archivdaten, aus der Auswertung von Fernerkundungsdaten (Digitales Geländemodell basierend auf Airborne Laserscanning (ALS-DGM)) sowie im Zuge von Geländeaufnahmen erfassten Massenbewegungen, die entsprechend ihrer Form entweder als Polygone (Rutschungsbereiche - Differenzierung zwischen terrestrischer Erfassung und Auswertung des DGMs) oder als Linien (Anrissbereiche) dargestellt werden.
Ergänzend zur Ereignisdokumentation wurde eine Geländeanalyse durchgeführt. Eine Geländeanalyse stellt primär Fakten kartographisch dar, soll aber auch notwendige Interpretationen wertfrei integrieren und dient der Erkennung und Abschätzung möglicher Gefahrenarten (Disposition, Auslösemechanismen, Wirkungsweise). Weiters stützt sie sich auf die Beobachtung und Interpretation von Geländeformen, Vegetation, Wasserverhältnissen und „stummen Zeugen" von früher abgelaufenen oder gegenwärtig ablaufenden gefährlichen Prozessen. Dies ermöglicht es, Ursachen, Eintrittswahrscheinlichkeiten und weitere wichtige Merkmale von Ereignissen zu eruieren (z.B. zur Festlegung der Szenarien).
Neben der Visualisierung der in der Vergangenheit von gravitativen Massenbewegungen betroffenen Flächen dienen das erfasste Inventar und die Geländeanalyse auch als Grundlage für die Modellierung der Wahrscheinlichkeit für weitere gravitative Massenbewegungen mit einem statistischen, beziehungsweise einem kombinierten statistisch-deterministischen Ansatz und bilden damit die Grundlage für die Erstellung von Gefahrenkarten. Das ALS-DGM des Landes Steiermark diente dabei als wichtigste Datengrundlage für die Modellierung von gravitativen Massenbewegungen.
Neben dem DGM und den Archivdaten über Rutschungen flossen weiters die Gefahrenhinweiskarte und die Waldmaske (2015, Joanneum Research), die geologische Karte sowie Niederschlagsdaten in die Modellierung mit ein.
Bei diesem Projekt zeigt sich insbesondere das hohe Potential des ALS-DGMs einerseits für die Erfassung und Analyse bisher unbekannter und in den Archiven nicht verzeichneter Rutschungen und andererseits für die Modellierung gravitativer Massenbewegungen.
Visualisierung der Ergebnisse - nur landesintern und Gemeinden
Im Dienst „Gefahrenkarte für gravitative Naturgefahren" finden sich folgende Layer. (ACHTUNG - nur landesintern und für Gemeinden verfügbar!)
- Pilotgebiet - Daten vorhanden (bis 1:100.000)
- Anrissbereiche (1:5.000 bis 1:100.000) - Rutschungsinventar mit 215 identifizierten und linear verorteten Abrisskanten
- Rutschungsbereiche (1:5.000 bis 1:100.000) - Rutschungsinventar mit 1086 flächig verorteten Rutschungsbereichen
- Zusammenfassende Rutschungsgefährdung (1:10.000 bis 1:100.000) - Die zusammenfassende Rutschungsgefährdung stellt alle Gefahrenbereiche für Rutschungen dar und dient der Erstinformation. Bei ausgewiesener Rutschungsgefährdung sind weitere Informationen den Gefahrenkarten für die jeweiligen Prozesse (permanente Rutschungen und Hangkriechen, spontane Rutschungen, flachgründige Rutschungen und Hangmuren) zu entnehmen.
- Flachgründige Rutschungen und Hangmuren (1:10.000 bis 1:100.000) - Dabei handelt es sich um meist geringmächtige Lockergesteinsmassen, die infolge eines plötzlichen Verlustes der Scherfestigkeit, teilweise unter Ausbildung einer neuen Gleitfläche relativ schnell abgleiten bzw. um rasch abfließende Massen aus Lockergestein (oft nur der Boden und die Vegetationsbedeckung) und Wasser. Die Gefahrenkarte zeigt die potentiellen Anrissbereiche sowie die Transit- bzw. Ablagerungsbereiche.
- Permanente Rutschungen und Hangkriechen (1:10.000 bis 1:100.000) - Diese Gefahrenkarte umfasst Rutschungen, die sich über lange Zeiträume mit geringen Bewegungsraten hangabwärts bewegen.
- Spontane Rutschungen (1:10.000 bis 1:100.000) - Dabei handelt es sich um Lockergesteinsmassen, die infolge eines plötzlichen Verlustes der Scherfestigkeit unter Ausbildung einer neuen Bruch- bzw. Gleitfläche relativ schnell abgleiten. Spontane Rutschprozesse sind plötzlich auftretende Phänomene, d. h. es gab zuvor keine Bewegungen oder keine Anzeichen für derart hohe Geschwindigkeiten. Beispiele von spontanen Bewegungen sind Primärprozesse (erstmalig), Reaktivierungen oder Teilabbrüche, die in der Anriss- oder Frontalzone von permanenten Rutschungen abgehen. Diesen Ereignissen kann eine Eintrittswahrscheinlichkeit auf Basis von Niederschlagsschwellenwerten zugeordnet werden.
Für weitere Informationen oder bei Fragen wenden Sie sich an Kamp Nicole, Bakk. MSc.